Lok steht im Europacup-Finale
22. April 1987, Leipziger Zentralstadion
Vor genau 30 Jahren trat René Müller vor über 100.000 Zuschauern im Zentralstadion an und versenkte den Ball zum 6:5 im Elfmeterschießen gegen Girondins Bordeaux. Der FCL zog ins Endspiel ein. Nachfolgend die entscheidenden Momente aus "1987 – Der Triumphzug des 1. FC Lok Leipzig durch Europa" beim Stand von 5:5 im Elfmeterschießen:
Langsam wurden die Schützen knapp. Bordeaux hatte noch Fargeon, Thouvenel, Dropsy und die beiden Vujovics im Angebot. Bei Lok konnten noch Baum, Richter, Kreer, Bredow und Müller antreten. Nachdem das Fernsehen Altmanns Elfmeter in der Wiederholung gezeigt hatte, schaltete der Regisseur auf die Kamera am Mittelkreis um.
Mit den besten Wünschen wurde dort Zoran Vujovic Richtung Tor verabschiedet, der nicht freiwillig ging. Sein Bruder Zlatko erinnert sich auch heute noch an das Versteckspiel bei Bordeaux: „Keiner der Verbliebenen wollte schießen. Jeder wusste, dass ich im Elfmeterschießen schlecht war. Am Ende haben die anderen meinen Bruder vorgeschickt, der auch nicht wollte. Ich habe den Trainer noch gewarnt, dass Zoran jahrelang keinen wichtigen Elfmeter mehr geschossen hatte. Aber Jacquet hörte nicht, und die anderen schubsten ihn nach vorn.” Wie alle anderen musste auch der Verteidiger, der vor der Saison von Hajduk Split nach Bordeaux gekommen war, fast 50 Meter bis zum Elfmeterpunkt zurücklegen. René Müller hatte also genug Zeit, ihn zu beobachten, und schrieb später in seiner Biografie: „Seine Körpersprache verriet mir, dass er unsicher wurde, dass er – salopp gesagt – Schiss hatte.” Mit gesenktem Kopf – konzentriert oder ängstlich – schlich Vujovic zum Strafraum. Auch bei seinem Anlauf nach der Ballfreigabe wirkte er irgendwie unsicher. Noch beim ersten Schritt zögerte er. Sein folgendes unplatziertes Schüsschen war das Produkt seiner offensichtlichen Zweifel. Müller musste nicht mal springen, sondern sich einfach nur nach rechts fallen lassen, um den Ball festzuhalten. Ein ganzes Stadion und Millionen vor den Fernsehgeräten brüllten „Jaaaaaaaaa!” Mit zwei gehaltenen Elfern avancierte Müller zum Helden des Abends. Noch im September 1986 hatte er sich im LVZ-Leser-Interview über die nötigen Zutaten beim Elfmeterschießen geäußert. „Viel Psychologie, eine Menge Glück, Reaktionsvermögen und das Gefühl, im richtigen Moment das Richtige zu tun. Ein Rezept in diesem ungleichen Duell zwischen Schützen und Torwart habe ich nicht.” Auf die Frage, warum er selbst keine Elfmeter schieße, hatte der gebürtige Markkleeberger gesagt: „Beides dem Torhüter zuzumuten, wäre wohl mit einem zu großen Risiko verbunden.” Unspektakuläre, aber nachvollziehbare Worte, die allerdings jetzt relativiert wurden.
Nach seinem gehaltenen Schuss stützte Vujovic die Hände in die Hüften und senkte wieder den Kopf. Während TV-Kommentator Schröter noch einmal „René Müller, du Teufelskerl!” jubelte, richtete der „DDR-Fußballer des Jahres 1986” seine handgeschneiderte Hose und schnappte sich den Ball. Als ob den über 100.000 Zuschauern die Bedeutung dieses Spiels plötzlich wieder bewusst geworden wäre, stieg der Lärmpegel im Stadion noch einmal mächtig an. Nur noch dieser eine Schuss und die Sensation wäre perfekt. Müller legte sich den Ball akkurat zurecht, lief an und machte das, was er als Torwart gut können muss: mit Vollspann an die Kugel treten. War der Ball nicht zu hoch angesetzt? Eine Millisekunde des Zweifelns durchströmte viele im Stadion und lag noch zwischen Lok und dem Finaleinzug. Dann schlug der Ball im linken Dreiangel ein. Finale!