"Ich möchte etwas riskieren"
BRUNO-Interview mit U19-Trainer David Quidzinski
Nachfolgend das Interview mit David Quidzinski aus dem Stadionheft BRUNO vom 16. Oktober gegen den ZFC Meuselwitz.
Der 31 Jahre alte, gebürtige Dessauer David Quidzinski war als Spieler in der Saison 2008/09 beim 1. FC Lok aktiv. Als neuer Trainer der U19 möchte er in der kommenden Spielzeit angreifen und den Aufstieg in die Regionalliga anpeilen. Im BRUNO-Interview spricht der Familienmensch über seine Erfahrungen, seine Trainer-Handschrift und seine Pläne mit dem FCL.
Wie kam es, dass dein Weg dich im Sommer 2016 zurück nach Probstheida geführt hat?
Der Kontakt zum 1. FC Lok brach nie ab. Ich hatte mich initiativ beworben, bis Februar war ich Trainer bei den Männern vom Landesklasse-Team Tresenwald. Tom Franke (ehemaliger Geschäftsführer/d.Red.) meldete sich schnell bei mir. Damals sollte ich ursprünglich die U23 übernehmen. Doch dann meldete der Verein die U23 ab.
Ich wurde dann kurzfristig schon zum Ende der letzten Saison als Trainer der U19 installiert und konnte mich schnell einleben. Ich habe bereits die letzten drei Rückrundenspiele übernommen und bin seit dem 1. Juni offiziell wieder im Verein.
In der ersten Oberliga-Saison des FCL nach der Neugründung 2008/09 warst du dabei. Als Aufsteiger mischte die Loksche lange Zeit oben mit und musste sich am Ende nur dem heutigen Gegner Meuselwitz und Auerbach als Dritter geschlagen geben. Was sind deine Erinnerungen?
Das war eine sehr schöne Zeit. Gerade die Hinrunde lief recht gut, auch für mich. Highlights waren vor allem die Spiele am Freitagabend: Flutlicht, viele Zuschauer! Aber auch negative Erfahrungen gab es. Es gab zwei Spielunterbrechungen: In Jena wurde unser Bus mit Steinen beworfen und auch in Zwickau stand das Spiel vorm Abbruch.
Der damalige Trainer Rainer Lisiewicz hatte mich geholt. Dann übernahm Jörg Sydler in den letzten vier Saisonspielen. Er signalisierte mir aber, dass ich keine weitere Perspektive bei ihm habe. Jetzt ist er Nachwuchskoordinator und wir arbeiten wieder zusammen. Als Trainer kann ich seine Entscheidung von damals verstehen.
Ist es ein besonderer Druck, das Aushängeschild des Lok-Nachwuchses zu trainieren?
Ich persönlich verspüre keinen Druck. Mit 23 Jahren habe ich angefangen, die Trainerlaufbahn einzuschlagen. Zuerst habe ich die C-Lizenz in Sachsen-Anhalt gemacht. Aktuell habe ich die DFB Elite-Jugend-Lizenz. Und nun freue ich mich auf die Aufgabe, mit der U19 etwas aufzubauen.
Zu Vorbereitungsbeginn standen wird mit acht, neun Spielern da und das Ziel hieß, die Liga zu halten. Inzwischen ist der Kader durch Mithilfe von Jörg Sydler, Detlev Schüler, Ramón Hofmann und Torsten Woitag konkurrenzfähig. Nächste Saison wollen wir dann angreifen. Eine Drucksituation verspüre ich nicht.
Wie zufrieden bist du mit dem neu zusammengestellten Team und dem Saisonstart?
Nach fünf Spielen hatten wir neun Punkte, das ist eine vernünftige Ausbeute. Ärgerlich war die 2:3-Niederlage in Markranstädt. Bei Regionalliga-Absteiger Aue habe ich grundsätzlich nichts erwartet. Wir durchlaufen derzeit eben noch einen Entwicklungsprozess.
Auf welchem Weg siehst du die Nachwuchsarbeit in Probstheida?
Zu meiner Zeit hat die U19 damals noch Regionalliga gespielt, jetzt sind wir in der Landesliga. Aber die Nachwuchsarbeit steht hier auf gesunden Füßen. Für alle Mannschaften gibt es mindestens einen Trainer. Beim Halleschen FC und bei RB Leipzig habe ich schon in Leistungszentren gearbeitet. Daran kann man sich strukturell in Zukunft sicher orientieren.
Ganz allgemein gilt: Wenn die U13, U15 und U16 funktionieren, dann klappt es auch in den älteren Teams der U17 und 19. Im U19- Bereich gilt es, die Spieler auf den Männerbereich vorzubereiten. Die Ausbildung erfolgt schon in den vorherliegenden Altersbereichen.
Auch Spieler von weit her haben den Weg zum 1. FC Lok gefunden. Wie kommt‘s?
Torhüter Pascal Gaedke - er kommt wie ich aus Dessau - hat sich für uns entschieden und kam von Hansa Rostock. Nino Dowe ist auch von Hansa. Beide sehen die gute Perspektive, hier voran zu kommen und vielleicht den Sprung ins Regionalliga-Team der Männer zu schaffen. Beide haben sich selbst hier vorgestellt, dann habe ich mit den Eltern gesprochen. Wir konnten eine Wohngemeinschaft für beide organisieren. Erstmals haben wir auch eine Kooperation mit dem Jugend-Fußball-Leistungszentrum Schlotheim in Thüringen, die früher mit Rot-Weiß Erfurt gearbeitet haben. Vier Feldspieler aus Schlotheim sind jetzt auch hier. Zwei von ihnen sind 1998er-Jahrgang und leben auch in einer WG in Leipzig, die beiden aus dem 99er-Jahrgang trainieren zweimal in Leipzig, sind zum Spiel hier und leben sonst im Internat in Schlotheim.
Wo besteht noch besonders viel Nachholbedarf bzw. sind große, auch externe, Hürden?
Es ist essentiell notwendig, dass wir vom Sächsischen Fußballverband wieder Internats- und Schulplätze bekommen. Mindestens zehn bis zwölf Spieler müssen wir an der Sportschule unterbringen. Es gilt mit dem Sächsischen Fuball-Verband wieder engeren Kontakt zu pflegen und unsere Spieler für die Landesauswahlmannschaften interessant zu machen. Aber wir müssen hier auch Vorarbeit leisten und in den nächsten zwei Jahren mit der U19, U17 und U15 in der Regionalliga spielen.
Was würdest du als deine persönliche Handschrift bezeichnen?
So wie im Familienleben bin ich offen, kritikfähig und lasse Anmerkungen der Spieler an mich heran. Ich habe ein klares System, was ich vermitteln möchte. Wir setzen den Gegner frühzeitig unter Druck. Wir wollen dominant sein, selbstbewusst auftreten. Das Wichtigste ist der offene Austausch mit den Spielern, sonst setzen sie deine Ideen nicht 100 Prozent auf dem Feld um. Offensiv sind wir sehr gut aufgestellt, defensiv fehlt uns etwas Stabilität. Ich möchte etwas riskieren, die Spieler können Fehler machen, aber sie müssen dann auch die Laufbereitschaft haben, diese wieder auszumerzen.
Was sind die größten Unterschiede zwischen deiner Zeit als Jugendspieler in den 90ern und frühen 2000ern im Vergleich zu heute?
Spielintensität und -geschwindigkeit haben sich um fünf bis zehn Prozent gesteigert. Du musst ganz schnell Situationen erkennen und zu deinen Gunsten lösen. Ich habe damals Trainer kennengelernt, die einen großen Wert auf die athletische Komponente gelegt haben und dementsprechend ihre Trainingseinheiten aufgebaut haben. Ich versuche durch viele intensive und variable Spielformen mein Spielsystem den Spielern im Training zu vermitteln. Trainer haben früher nicht so offen gesprochen. Man durfte die Meinung des Trainers nicht hinterfragen. Hermann Andreev hat mich damals beim HFC trainiert, dort hätte ich nicht den Mund aufmachen dürfen. Damals gab es feste Strukturen. Heute steht der Trainer auf einer Ebene mit der Mannschaft.
Was machst du, wenn du nicht deine Jungs trainierst oder zu Spielen begleitest?
Ich bin zweifacher Vater, war auch ein Jahr in Elternzeit mit meinem Sohn. Darauf lege ich viel Wert. Ich wohne in der Nähe von Naunhof und arbeite in Colditz bei einem Hersteller von Nahrungsergänzungsmitteln. 16:30 Uhr komme ich raus aus dem Büro und stehe 18 Uhr auf dem Trainingsplatz. Wenn ich die Unterstützung von der Familie nicht hätte, würde ich das gar nicht durchstehen.