Peter Frank und vor ihm Lokruf-Kommentator Marko Hofmann

Verein, Top3, Top7 | Montag, 20. Juni 2016

"Der Fußball ist schneller geworden"

Aus dem BRUNO: Interview mit dem blinden Fan Peter Frank

Nachfolgend gibt es das Interview mit Peter Frank aus dem Stadionheft BRUNO vom 5. Juni 2016 gegen den Bischofswerdaer FV zum Nachlesen:

Im Januar hat der 1. FC Lok Leipzig seinen 50. Geburtstag gefeiert. Fast genauso lang ist auch Peter Frank schon Anhänger vom FCL. Er ist ein ganz besonderer Fan. Denn obwohl der 56-Jährige blind ist, bekommt er viel mehr von dem Geschehen auf dem Rasen mit, als andere Zuschauer. Im BRUNO-Interview spricht er über seine Fußball-Leidenschaft und auch über das Internetradio Lokruf, das sich inzwischen besser benehmen kann.

Peter, wie bist du eigentlich zum Fußball und natürlich zum 1. FC Lok gekommen?

Mein Vater war schon immer fußballbegeistert und hat Chemie Leipzig beobachtet, wie sie 1964 Meister geworden sind. Damals war ich aber noch zu klein. Als ich zehn oder elf Jahre alt war, begann ich mich für den Fußball zu interessieren. In der Blindenschule in Karl-Marx-Stadt war ich oft wochenlang von Zuhause getrennt. Dort haben wir dann die DDR-Oberliga jeden Sonnabend verfolgt. Für mich war der 1. FC Lok dann immer der große Bezug zur Heimat. Inzwischen gehört Lok mein Herz und Seele wenn um Fußball geht, aber mit dem FC Bayern sympathisiere ich auch.

Wie ging deine Fan-Karriere weiter?

Natürlich hab ich die großen UEFA-Cup-Spiele 1973/74 gegen Ipswich Town oder die Wolverhampton Wanderers mitverfolgt. In den 80er Jahren bin ich mit meinem Vater viel durch die Gegend gefahren und war in fast allen DDR-Stadien. Dann kam der Höhepunkt 1987: Halbfinale gegen Girodins Bordeaux. Da hat mein Bruder sogar in der Halbzeit im Fanfarenzug mitgespielt. Als René Müller den letzten Elfmeter versenkt hat, war natürlich überall eine Menge los. Ich wohnte damals in der Nachbarschaft von Verteidiger Ronald Kreer, der nachts mit seiner Frau von den Feierlichkeiten zurückkehrte und vorm Haus noch richtig Krach gemacht. Das waren schon coole Zeiten.

Du kennst Probstheida schon seit langer Zeit. Was hat sich verändert?

Damals war das Bruno-Plache-Stadion wesentlich voller. Ich stand schon mit 15.000 Zuschauern im Stadion. Da war mehr Action. Aber das Empfinden ist im Grunde noch immer das Gleiche. Heute ist es allerdings viel familiärer.

Kannst du den Sehenden erklären, wie ein Blinder ein Fußballspiel verfolgt?

Als Kind hab ich alles zuerst nur im Radio verfolgt. Irgendwann haben mir die Schilderungen nicht mehr gereicht und ich bin zum Fernsehen gewechselt. Dort kam mehr Atmosphäre raus. Die Atmosphäre ist beim Fußball eine ganz besondere, weil die Zuschauer auf fast alles reagieren. Fußball ist ein Sport, den du dir als Blinder sehr einfach vorstellen kannst. Nimm dir einen Ball, leg ihn vor dich und tritt dagegen. Auf diese Formel kann man es bringen. Du kannst dir im Kopf alles vorstellen. Das hat sich alles über die Jahre bei mir entwickelt. Ich habe heute keine Mühe mehr, ein Spiel zu verfolgen.

Der Fußball ist in den letzten 30 Jahren schneller geworden, das muss man schon sagen. Auch athletischer, wenn man hört, wie schnell das alles inzwischen geht. Fußball ist wie ein Virus. Bist du einmal infiziert, bekommst du ihn nicht mehr los.

Seit Dezember 2004 gibt es das Internetradio Lokruf. Du bist ein Hörer der ersten Stunde?

Ich bin fast von Anfang an dabei. Die Kommentierung war am Anfang nicht so professionell wie heute. Da fielen Begriffe, die inzwischen nicht mehr verwendet werden. Das finde ich gut. Es wird inzwischen auch oft über die Statistik und Geschichten von früher gesprochen. Das ist sehr gut, damit auch die Jüngeren den Anschluss vom VfB Leipzig und Lok nach 2004 bekommen. Ich selbst konnte mit dem Namen VfB nie viel anfangen. Hoffentlich bleibt Lokruf noch lange Zeit bestehen!

Bei Heimspielen sitzt du den Jungs von Lokruf quasi im Rücken – allerdings etwa drei Meter entfernt. Dadurch hörst du sie nicht live. Deshalb hast du zusätzlich zum Stadionerlebnis dein Telefon am Ohr, hörst den Lokruf-Stream und bekommst die dadurch erlebten Szenen mit Verzögerung noch einmal zu hören. Wie ist das?

Es ist quasi eine Bestätigung von dem, was ich kurz zuvor miterlebt habe. Aber das ist schon cool, selbst wenn es zeitversetzt ist. Im Prinzip sind meine Ohren überall und ich höre, was auch um mich herum erzählt wird. Oft bin ich nicht mit den Zuschauerreaktionen einverstanden, wie sich manche benehmen. Man darf nicht vergessen, es ist immer nur ein Fußballspiel.

Frage an den Lok-Fachmann: Warum ist der 1. FC Lok in die Regionalliga aufgestiegen?

Die Neuverpflichtung haben sich nahtlos ins Team eingefügt. Natürlich macht auch die Persönlichkeit von einem Heiko Scholz eine Menge aus. Jeder weiß, er war bei Mannschaften, die jeder in Europa kennt und dort international gespielt. Das verschafft ihm natürlich Respekt bei den Spielern. Wenn Lok die Finanzen beisammen hält, dann können sie in der Regionalliga ganz oben mitspielen und in zwei Jahren vielleicht in die 3. Liga aufsteigen. Magdeburg hat gezeigt, wie das geht und wurde jetzt sogar als Aufsteiger in die 3. Liga Vierter.

Einer meiner großen Fußballträume ist, dass wir einmal im DFB-Pokal spielen. Ich will ein Spiel gegen die erste Mannschaft von RB erleben. Meinetwegen gewinnen wir dann durch ein Tor in der 89. Minute mit 1:0.

Du als Bayern- und Lok-Fan: Was fehlt dem FCL im Vergleich zu den Münchnern?

Wenn ich im Sport nicht irgendwie weiterkommen will, dann muss ich den nicht ausüben. Nur so kannst du die Menschen begeistern. Lok war ja schon ganz oben und muss wieder nach oben wollen. Natürlich kann sich der 1. FC Lok nicht mit den Bayern vergleichen. Der Wille muss aber zumindest der Gleiche sein, wie ihn der FC Bayern an den Tag legt. Wenn Lok irgendwann in der 3. oder 2. Liga erreicht, dann ist schon sehr viel erreicht.

 
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