Top3, Top7 | Mittwoch, 14. März 2018

"Es wird enorm schwer."

Altglienicke-Trainer Jagatic zum Spiel am Donnerstag

Im Vorfeld des Spiels des 1. FC Lok Leipzig gegen die VSG Altglienicke stand der "BRUNO"-Redaktion dieses mal Michael Jagatic, Trainer der VSG, ausführlich Rede und Antwort.   

Hallo, Herr Jagatic. Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen und unseren Fragen gestellt haben. Aber lassen Sie uns keine Zeit verlieren, stürzen wir uns direkt hinein ins Vergnügen!

In den letzten zehn Jahren hat die VSG Altglienicke sage und schreibe sechs Aufstiege hingelegt und auch vor der Regionalliga, der bisher größten Hürde, hat man nicht Halt gemacht – ganz im Gegenteil, sportlich scheint man angekommen zu sein. Wie lautet Ihr persönliches Fazit der vergangenen 21 Spiele?

In den letzten 21 Spielen haben wir Vieles gelernt. In gewissen Situationen haben wir gleichermaßen Glück wie auch Pech gehabt – wie zum Beispiel beim Hinspiel gegen Lok. Bis kurz vor Schluss haben wir geführt, ehe wir den Ausgleich nach einem Handelfmeter kassierten. Aber das sind einfach Momente, aus denen man lernen muss. Gegen Spitzenmannschaften wie Lok ist es immer schwer mitzuhalten. Wir haben jedoch bewiesen, dass wir dies durchaus können und wir entwickeln uns von Spiel zu Spiel weiter. Sicher, drei bis vier Punkte mehr hätten es schon sein können, dennoch denke ich, dass wir in der Lage sind auch die letzten Punkte zu holen, um den Klassenerhalt zu sichern.

Das sollte doch machbar sein: Björn Brunnemann, Torsten Mattuschka, Chinedu Ede, Boubacar Sanogo – da schnalzt der Kenner lautstark mit der Zunge! Jetzt wollen wir es aber wissen: Wo genau in Altglienicke ist denn jetzt diese geheime Ölquelle?

Das sind ganz einfach Dinge, die sich so ergeben haben. Ede zum Beispiel war in Thailand aktiv und wollte gerne zurück nach Berlin, zurück Nachhause. Man kennt die Leute und manchmal führt eins zum anderen. Sanogo wollte ebenfalls nach Deutschland zurück, um später seine Trainerlizenz machen zu können. „Tusche“ (T. Mattuschka; Anm. d. Red.) und Brunnemann waren bereits vor dem letzten Aufstieg dabei.

Die eben Genannten sind allesamt Spieler, die eine Menge Erfahrung mitbringen und uns definitiv voranbringen. Zugleich sind sie in einem gewissen Alter und wollen allmählich auch andere Wege gehen. Bei uns gibt es ein gutes Gesamtpaket – wir sind ein Projekt mit Zukunft und bieten den Spielern eine Perspektive. Wir halten wenig davon, dass andere Vereine regelrecht mit Geld um sich schmeißen, wir gehen einen anderen Weg. Natürlich sind das große Namen und Spielerpersönlichkeiten, doch dahinter steckt auch immer eine Geschichte, die man verstehen muss. Von einer Ölquelle kann hier keinerlei Rede sein.

Ok, verstanden. Vom besinnlichen Altglienicke in den bunten und wilden Prenzlauer Berg: Für diese Saison müssen Sie gezwungenermaßen in den Ludwig-Jahn-Sportpark umziehen. Fühlen Sie sich im überdimensionierten Stadion eher fehl am Platz oder lässt es sich dort durchaus aushalten? Wie oder wo gedenkt der Verein die nächsten Jahre gegen das Leder zu kicken?

Hier wird aktuell im Hintergrund gerudert und gearbeitet, wir wollen perspektivisch eine Heimstätte mit einem echten Heimvorteil finden. Dies gestaltet sich jedoch als gar nicht so einfach. Im Ludwig-Jahn-Sportpark treten auch wir ja eher im Stile eine Auswärtsmannschaft auf, nicht einmal Trainingseinheiten sind dort möglich - von einem Heimvorteil kann man da nicht sprechen.

Der Umzug vor Saisonbeginn musste sehr schnell über die Bühne gehen, da man erst am letzten Spieltag der vergangenen Saison Klarheit hatte, ob man denn überhaupt in die Regionalliga aufsteigt. In der Oberliga haben wir bis dato auf einem kleinen, engen Kunstrasenplatz gespielt – da setzt in einem solch großen Stadion natürlich ein ganz anderer Denkprozess in den Köpfen ein, der sich demzufolge auch in der Spielweise widerspiegelt. Besonders in den ersten Spielen war das nicht einfach für uns, doch langsam können wir mit der Situation umgehen.

Neben dem Ludwig-Jahn-Sportpark wirkt unser Bruno-Plache-Stadion ja beinahe beschaulich. Womit wir auch direkt beim heutigen Spiel wären: Was erwarten Sie persönlich auf dem Platz und auf den Rängen?

Ganz klar, Lok hat heute den Heimvorteil, den wir so zuhause nicht haben. Allein schon aufgrund der Fans: Lautstarke und positiv verrückte Leute, die die eigene Mannschaft nach vorne peitschen. Das haben wir ja auch bei uns erlebt. Gegen diese Macht kommt unsere überschaubare Masse an Fans nicht an, es wird enorm schwer.

Auf dem Rasen erwartet uns eine spielstarke Mannschaft, die Abschlüsse sucht, wir hingegen sind manchmal eher zu verspielt. Lok ist zielstrebig und man sieht, dass der Trainer seine Handschrift hinterlassen hat. Aber nichtsdestotrotz haben wir eine Chance, auch aufgrund unser erfahrenen Spieler. Wir hoffen hier natürlich etwas mitnehmen zu können und werden auch alles daran setzen. 


Zum Abschluss sei uns noch eine kurze Frage zu Ihrer Person gestattet. Wir haben nicht schlecht gestaunt, als wir lasen, dass Sie vor nicht allzu langer Zeit für ein Jahr Co-Trainer der Nationalmannschaft von Myanmar waren. Das klingt ja unheimlich aufregend. Können Sie uns verraten wie es zu diesem eher exotischen Arrangement kam und vielleicht hält Ihr Nähkästchen ja auch eine kleine Anekdote für uns bereit? Wir sind sehr auf jeden Fall gespannt!

Ja, das kam über meinen Trainerkollegen Gerd Zeise. Er wusste, dass mich ein Engagement im Ausland reizen würde. Als er 2016 zum Nationaltrainer von Myanmar berufen wurde, fragte er mich und so nahm die Sache ihren Lauf. Bei der Südostasienmeisterschaft 2016 haben wir direkt die Vorrunde überstanden und sind somit bis ins Halbfinale vorgedrungen. Das war natürliche ein riesiger Erfolg für das gesamte Land und auch wenn wir letztendlich an Thailand gescheitert sind, war das eine großartige Erfahrung.

Etwas gewöhnungsbedürftig war jedoch, dass man mit den klassischen deutschen Tugenden dort nicht sehr weit kommt. Alles ist sehr viel lockerer aber leider muss man regelmäßig warten und auch generell dauert alles deutlich länger. Man muss schon eine Menge Geduld und Freundlichkeit mitbringen, wer schnell nervös wird, ist hier definitiv fehl am Platz. Auch ich musste besonders in der Anfangszeit kämpfen und mich akklimatisieren. Das Essen vor Ort ist außerdem stets mit Chili verbunden, da vermisst man schon mal Eisbein mit Kartoffeln. Während meines Aufenthaltes in Myanmar habe ich ganze 7kg verloren. In Deutschland hatte ich das Gewicht aber schnell wieder auf den Rippen.

Vielen Dank für das aufschlussreiche Interview. Wir danken Ihnen für Ihre Zeit und wünschen maximale Erfolge in der Rückrunde!

 
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