Eine Sensation der grauen Maus (1918 – 1944)
In mehr als drei Jahrzehnten nach Ende des Ersten Weltkrieges knüpfte der VfB nie wieder an alte Leistungen an. Vier Mitglieder der Meisterelf von 1913 waren im Krieg gefallen. Nur vier mitteldeutsche Gaumeisterschaften konnten in den Jahren bis zur Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 gewonnen werden. Bei der anschließend deutschlandweiten Titelvergabe hätte man nur 1920 fast noch einmal für Aufsehen gesorgt. Doch der Club aus Nürnberg war auf seinem Weg zum Meistertitel auch von den Leipzigern nicht stoppen.
Altmeister auf dem absteigenden Ast - neue Heimat in Probstheida
Aufhorchen ließ der VfB entweder durch überraschende Niederlagen wie 1925 im Achtelfinale der Meisterrunde gegen den vermeintlich leichteren Gegner Breslauer SC 08 oder mit grandiosen Siegen bei Freundschaftspartien um die „Goldene Ananas". Zu spüren bekamen dies immerhin die jeweils frisch gekürten Meister der Jahre 1926 und 1927, ihres Zeichens Hertha BSC (4:3) sowie abermals Nürnberg (5:1). Kaufen konnte sich dafür keiner etwas. In diesem Zeitraum von fast 15 Jahren liefen Mannschaften wie der Hamburger SV, der 1.FC Nürnberg oder der FC Schalke 04 dem Altmeister den Rang ab. 1922 verließ der Club nach 25 Jahren seine „alte" Heimat Lindenau und schlug im gerade neu gebauten VfB-Stadion zu Probstheida seine Zelte auf. Die nach dem Zweiten Weltkrieg zu Ehren eines kommunistischen Widerstandskämpfers in Bruno-Plache-Stadion umbenannte Heimstätte wurde ohne Unterbrechung nie wieder verlassen. Nicht einmal das sportliche Mittelmaß konnte gehalten werden, die Jahre bis 1944 bilden den rapiden Absturz vom Rekordmeister zur grauen Maus. Als sportliches Vorzeige-Negativ-Erlebnis hierfür gilt das letzte Spieljahr vor dem Ende des Zweiten Weltkrieges, in welchem erstmalig während des schon halben Jahrhunderts Vereinsgeschichte ein Abstieg aus der Elite-Klasse, der sächsischen Gauliga, zu verzeichnen war.
Ein einziger Tag jedoch sollte von der ganzen sportlichen Tristesse mit einem Schlag ablenken lassen. Der 3. Januar 1937 war als Termin des Endspiels um den erst zum zweiten Male ausgetragenen, späteren DFB-Pokal (In dieser Zeit war der Wettbewerb noch nach dem nationalsozialistischen Reichssportführer von Tschammer und Osten benannt) auserkoren. Das gesamte Kalenderjahr 1936 überdauernd, spielten mehr als 5.000 Mannschaften um die Trophäe. Der zweimalige Meister FC Schalke 04 und der VfB Leipzig, dessen erfolgreichste Tage scheinbar schon längst beendet waren, standen sich im David vs. Goliath-Vergleich vor der großen Kulisse von 60.000 Zuschauern im Berliner Olympiastadion gegenüber. Dass das Erreichen des Finals für die Sachsen durchaus verdient war, zeigt ein Blick auf den mehr als steinigen Weg in die Hauptstadt. Nicht weniger als vier der sechzehn aktuellen "Gaumeister" [1.SV Jena (Meister des "Gaus Mitte"), Vorwärts Rasensport Gleiwitz (schlesischer Meister), Berliner SV (Berliner Meister), Wormatia Worms (Südwest Meister)] mussten im Duell mit den Blau-Weißen die Segel streichen.
Der VfB bezwingt den "Schalker Kreisel" und wird Pokalsieger
"Pokalspiele haben ihre eigenen Gesetze" besagt noch heute eine abgedroschene, aber wohl doch in der Realität immer wieder gültige Regel. So auch in jenem Finale. Frech, unbekümmert und um ihre vermeintlich nicht vorhandene Chance wissend, spielte der Underdog groß auf. Mey und Gabriel trugen sich mit ihren Toren zum zwischenzeitlichen 2:0 in die Annalen ein. Der überragende Schlussmann Wöllner wurde berühmt geschossen und ließ die Königsblauen verzweifeln, denn bis auf den Anschlusstreffer in der 42. Minute blieb sein Kasten sauber. Die Sensation gelang, der VfB Leipzig war Pokalsieger 1936 (auch wenn das Finale auf Grund der Olympischen Spiele auf Januar 1937 verschoben wurde). 4.000 mitgereiste Anhänger trauten ihren eigenen Augen nicht, feierten jedoch überglücklich das schier Unglaubliche. Am nächsten Morgen glich der Leipziger Hauptbahnhof einem Tollhaus. Trafen sich 1903 ein paar an den Händen abzählbare Freunde und Bekannte zur Begrüßung, so bereiteten 33 Jahre später viele tausende Leipziger der Mannschaft einen großen Empfang.