"Unsere jetzige Mannschaft ist authentisch"
BRUNO-Interview mit André Göhre, Mit-Autor der FCL-Fußballfibel
Nachfolgend gibt es das Interview mit André Göhre aus dem Stadionheft BRUNO vom 3. April 2016 gegen den FC Energie Cottbus II zum Nachlesen:
Eigentlich ist es nur sein Hobby. In Probstheida ist André Göhre allerdings schon seit längerer Zeit als Chef-Fußballhistoriker bekannt. Vor zwei Wochen wurde die Fußballfibel über den 1. FC Lok veröffentlich und einen entscheidenden Part für das Gelingen dieses lesenswerten Buches leistete André Göhre, der zudem seit drei Jahren Stadionführungen durch das "Bruno" anbietet.
André, bevor wir über die neue Fußballfibel des 1. FC Lok reden: Wie bist du eigentlich zum 1. FC Lok gekommen und warum bist du immer noch hier?
Warum ich noch hier bin, weiß ich selbst nicht! (lacht) 1973 – da war ich sechs Jahre alt – sind wir direkt in Stadionnähe gezogen. Ein Jahr später nahm mich mein Vater zum Europapokal-Halbfinale gegen Tottenham Hotspur ins Zentralstadion mit, das war mein erstes Spiel. Seitdem komme ich mehr oder weniger regelmäßig hier her. Warum ich noch immer zu Lok gehe? Weil ich hier Wurzeln geschlagen habe. Ein richtiger Fußballfan verschenkt sein Herz nur einmal.
Du warst federführend an der am 18. März – pünktlich zur Leipziger Buchmesse – erschienenen Fußballfibel über den 1. FC Lok beteiligt. Wie kam es dazu?
Frank Willmann (Herausgeber der „Bibliothek des deutschen Fußball“ in der das Buch erscheint) hatte mich vor ein paar Monaten angeschrieben und erzählt, dass er eine Fußballfibel mit kurzen Geschichten und Anekdoten über den 1. FC Lok plant. Mich hatte er als Autor im Auge. Aus Zeitgründen musste ich das allerdings ablehnen. Ein paar Wochen später meldeten sich die Jungs der Fankurve bei mir Sie fragten, ob ich denn nicht bei einer Fußballfibel helfen könnte … Also habe ich mich dann doch richtig reingekniet und etwa ein Drittel des Buches geschrieben. Am Ende haben etwa 20 Leute an dem Buch geschrieben und mitgeholfen.
Über 50 Zuhörer waren bei der Premieren-Lesung in der Lok Lounge an eben jenem Abend versammelt. Es war nicht nur für die Fibel sondern auch für dich eine Premiere …
Ich habe so etwas zum ersten Mal gemacht. Am Tag davor war ich auch ziemlich aufgeregt und habe geübt. Doch mit den ersten Worten auf dem Podium am Abend der Lesung war es wie verflogen. Im Sommer letzten Jahres musste ich beim Jubilee Cup (internationales Jugendturnier) ganz kurzfristig als Moderator einspringen. Das war meine eigentliche Premier und dort hatte es auch geklappt.
Auf 170 Seiten sind Geschichten rund um den Probstheidaer Fußball versammelt. Was sind deine drei Lieblingskapitel in der Fibel?
Mein Lieblingskapitel ist das über die Erste Deutsche Meisterschaft 1903. Dort wird alles aufgerollt, vor allem die ganzen Kuriositäten rund um dieses Endspiel. Ganz privat liegt mir das Porträt über Camillo Ugi – Meister mit dem VfB 1906 – am Herzen. Er war eines der größten Individuen, die wir je im Verein hatten. Außerdem forsche ich auch zu ihm derzeit intensiver und es gibt einen aktuellen Aufhänger, weil es bald eine Straße in Probstheida geben wird, die seinen Namen trägt. Zu guter Letzt muss ich noch den Abspann des Buches erwähnen. Dort schrieben wir alle, was der 1. FC Lok für uns persönlich ist. Ich bekomme jedes mal Gänsehaut, wenn ich das lese.
Warum sollten sich die Anhänger der blau-gelben Farben unbedingt dieses Buch zulegen?
Es gibt schon einige Bücher über den 1. FC Lok, aber alle mit anderen Konzepten. Aber in seiner Art ist die Fibel einmalig. Es ist ein Flug durch die Geschichte von 1893 bis heute. Zudem sind die Texte kurz gehalten. Durch die zahlreichen Autoren aus verschiedenen Altersklassen ist das Buch sehr abwechslungsreich.
Fernab deiner schreibenden Tätigkeit bist du als „Mister Stadionführung“ bekannt. Wann und wie wurden diese Führungen eigentlich ins Leben gerufen?
Ich kam dazu wie die Jungfrau zum Kind. Vor sechs Jahren habe ich mit der Historienforschung angefangen. Mein Interesse hatte zuallererst das Buch über das Bruno-Plache-Stadion („Schlachten, Tore, Emotionen“) geweckt. Nach und nach kam ich mit Gleichgesinnten in Kontakt und wurde dann Mitglied im Verein „Netzwerk blau-gelb“. Dort wurde die Idee an mich herangetragen, doch einfach mal Stadionführungen anzubieten. Seit 2013 mache ich das nun auch. Im vergangenen Jahr waren es beispielsweise 44. Dabei habe ich etwa 600 Leute durchs Stadion geführt.
War bis zum heutigen Tag eine ganz besondere Stadionführung für dich dabei? Vielleicht auch zwei oder drei?
Die schönsten Stadionführungen waren die mit den Kids. Zum Kindertag und zu Halloween war das jeweils ein großer Spaß. Vergangenen Oktober war die emotionalste Stadionführung mit Glen aus London. Er war als Tottenham-Fan 1974 im Zentralstadion beim Europacup-Spiel gegen den FCL und war dann 2015 erstmals wieder in Leipzig und zum ersten Mal im Bruno-Plache-Stadion. Die lustigste Stadionführung war mit unseren beiden Stadion-DJs. Nach dem ersten Tag des bereits erwähnten Jubilee Cups waren wir drei schon etwas angebrütet. Dennoch bestanden die beiden auf einer Tour, die wir dann auch im Dunkeln durchgezogen haben. Großartig!
Als Tausendsassa hören aber deine Aktivitäten für den 1. FC Lok dort nicht auf: Was treibst du noch so?
Ich bin noch im Bau Beirat aktiv, ab und zu bei Arbeitseinsätzen dabei, organisiere auch andere Lesungen und suche auch Geldgeber, wie etwa zum traditionellen Osteressen beim 1. FC Lok für sozial benachteiligte Kinder. Seit Kurzem biete ich auch Führungen durch ganz Leipzig an. Dabei geht es auf die Spur verschollener Fußballplätze.
Du hast die großen Europapokalnächte der 1970er und 1980er erlebt. Was aber zeichnet die aktuelle Mannschaft aus?
Unsere jetzige Mannschaft ist authentisch. Keiner ist abgehoben, alle sind sympathisch. Im Sommer gab es nicht so viele Veränderungen. Das erinnert mich ein wenig an DDR-Oberligazeiten. Damals spielte fast die gleiche Mannschaft über zehn Jahre zusammen. Außerdem habe ich noch nie einen Trainer hier erlebt, mit dem man quatschen kann, viel Spaß hat und der auch im Club Casino anzutreffen ist. Heiko Scholz ist ein super Typ!